Ehrenlokführer

Im Mai 1992 machten meine Familie und ich einen Urlaub der besonderen Art an der Ostsee, d.h meine Familie machte Urlaub und ich war fest entschlossen, im Urlaub im Schichtdienst zu "arbeiten". Ich hatte mich nämlich zu einem Lehrgang für Ehrenlokführer bei der Deutschen Reichsbahn angemeldet. Und so fuhren wir ins Ostseebad Kühlungsborn mit Ziel Reichsbahnferienheim "Frieden" am Bahnhof Kühlungsborn West. In dem Ferienheim waren zwei weitere "Lokführerkollegen" untergebracht und am Abend erfolgte nach der Begrüßung durch Bodo Credo, den Bw-Leiter, schon eine Besprechung und wir erhielten unsere Dienstpläne. Am nächsten Morgen fuhren wir ins Bw Rostock, wo eine Einweisung und Sicherheitsbelehrung stattfand. Am Nachmittag war Dienstbeginn und im Bw traf ich dann meinen "Meister" Siggi Sagert und Heizer Ari Weihrauch, die sich dann in zehn Schichten mit mir rumärgern konnten. Auf der nun folgenden Fahrt nach Bad Doberan wiesen mich Siggi und Ari in die Maschine und auf die Strecke ein und auf der Rückfahrt stand ich, ehe ich mich versehen konnte, ab Bad Doberan Goethestraße schon selbst am Regler.

So war ich denn für zehn Tage der ständige Begleiter von Siggi und Ari auf der 099 902 , der ehemaligen 99 322.

Wie schon eingangs erwähnt, waren wir Ehrenlokführer mit im Schichtdienst eingesetzt, was also bedeutete, daß wir auch schon mal früh um vier aufstehen mußten, um ja nichts zu verpassen, denn der Frühzug nach Bad Doberan ging um 4.46. Im Jahre 1992 verkehrten zwischen Kühlungsborn West und Bad Doberan 14 Zugpaare täglich. Eine Fahrt dauerte 45 Minuten und ich durfte dann ab Kühlungsborn West bis Bad Doberan Goethestr. die Lok fahren. Ab Hp Goethestraße übernahm Siggi den Regler, denn auf der engen, gefährlichen Ortsdurchfahrt von Bad Doberan waren starke Nerven und ein gutes Augenmaß gefragt, denn hier verkehrten Eisenbahn, Autos und Fußgänger auf einer sehr engen Trasse.

Eine Dampflok in Bewegung zu setzen ist eigentlich gar nicht so schwer. Klar, am Anfang gab es schon mal den einen oder anderen Ruck aber nach zwei Tagen war anfahren kein Problem mehr. Das eigentliche Problem ist das Bremsen, denn den Zug punktgenau zum halten zu kriegen, was besonders in Kühlungsborn Ost und in Heiligendamm wichtig war, ist gar nicht so einfach. Denn es passierte einige Male, daß die Lok auf dem (geschlossenen) Bahnübergang in Kühlungsborn Ost stand oder in Heiligendamm ettliche Meter vor der Weiche. Aber mit der Zeit merkte man sich die Punkte (Sträucher o.ä.) an denen man zu bremsen begann.

Natürlich braucht so eine Dampflok eine Menge Pflege und vor allem aber Wasser und Kohle. Die alte Lokführerregel "Fahre nie an einem Wasserkran vorbei" wurde auch von uns beherzigt, und so wurde in Bad Doberan das Bw angesteuert, wo Kohle- und Wasservorräte ergänzt wurden. Hier wurde auch ausgeschlackt und Lösche gezogen. Bei der Rückkehr nach Kühlungsborn West wurde auch hier Wasser genommen.

Natürlich war man bestrebt, alles von Anfang an richtig zu machen, daß klappte aber nicht immer so, da gab es beim Anfahren schon mal einen kräftigen Ruck oder es wurde falsch gebremst. Jedes deratige "Vergehen" wurde von meinem Meister mit einem Kreidestrich an der Führerhausrückwand "geahndet". Jeder Strich bedeutete je eine Flasche Bier (natürlich nach Dienstschluß) für die Lokmannschaft.

Auch eine Nachtschicht gehörte mit dazu. Hier wurde erst noch der Spätzug gefahren und nach der Rückkehr nach Kühlungsborn West um 22.22 wurde die Lok abgehängt und es ging in den Lokschuppen. Hier wurde die Lok nachgesehen, es wurden alle wichtigen Teile des Fahrwerks und des Triebwerks in Augenschein   genommen, d.h. es ging auch unter die Lok zur Nachschau und zum Abschmieren. Am späten Abend wurden dann auch noch kleinere Reparaturen vorgenommen, es wurde ein Ruhefeuer angelegt und in regelmässigen Abständen wurde bei allen unter Dampf stehenden Loks der Wasserstand geprüft und bei Bedarf nachgespeist. Zwischendurch gönnten wir uns im Aufenthaltsraum des Lokschuppen eine Mütze voll Schlaf, denn um kurz vor vier musste die erste Lok wieder fertig gemacht werden, um 4.46 ging der erste Zug nach Bad Doberan. Dieser war dann wieder um 6.32 in Kühlungsborn und nach dem Restaurieren der Lok war dann gegen 7 Uhr Dienstschluß. Der Tag wurde dann am Strand verbracht und so hatte dann auch die Famillie etwas von mir.

Doch leider ging die Zeit viel zu schnell rum. Am zehnten Tag des Lehrgangs erfolgte dann eine Prüfung. Ein Fahrmeister des Bw Rostock nahm die Prüfung ab, d.h. eine Fahrt nach Bad Doberan und abschließend die Beantwortung einiger Fragen sowie die Überprüfung des Wasserstandes.

Abschließend wurde uns eine Urkunde überreicht, die uns bescheinigte, daß wir nun unter Aufsicht eines "richtigen" Lokomotivführer eine Dampflok der Baureihe 99 führen dürfen.

Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht und man kann sich nun vorstellen, wie anstrengend der  Dampflokomotivdienst auf großen Loks ist, wo z.B. die Heizer 10 t Kohle und mehr während einer Schicht zu schaufeln hatten. 

Im Herbst 1992 wurde im Ostseebad Kühlungsborn der Club der DR Ehrenlokführer gegründet. Hier kann jeder Mitglied werden, der einen Ehrenlokführerlehrgang absolviert hat, sowie Mitarbeiter der Bahnen, die solche Lehrgänge veranstalten.

Wer mehr Informationen über den Club haben möchte, wende sich bitte an folgende Adresse:

E-Mail : info@dr-ehrenlokfuehrer.de

 

 

 

 

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Im Bw Kühlungsborn West

 

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Blick auf die Strecke vor Bad Doberant

 

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Auf dem Führerstand

 

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Zugkreuzung in Heiligendamm

 

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099 902-9 im Bw Bad Doberan

 

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099 902-9 von unten

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